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LOUDNESS
Irgendwie kommen wir alle beim Thema Loudness und dem richtigen Ansatz für Streaming und allen anderen Formaten nicht so richtig zu einer Lösung, mit der alle zufrieden sind. Ja, die Streaming Services haben alle ihre Pegel für ihre Lautstärke Normalisierung definiert. Nein, das hilft uns nicht wirklich weiter, wenn die Titel dann trotzdem unterschiedlich laut wirken. Woran liegt’s? Und welcher Pegel ist denn nun der richtige? Wir machen uns nochmal auf die Suche.
Lautstärke vs Lautheit
Lautstärke und Lautheit sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Die eine definiert die gemessene Lautstärke des Schalldruckpegels, wohingegen die andere im Kontext von Musik die empfundene Lautstärke eines Titels beschreibt. Wir gehen noch einen Schritt weiter und schauen uns an, wie unsere Ohren den eintreffenden Schall wahrnehmen. An den Kurven der gehörrichtigen Lautstärke, auch als Fletcher-Munson-Kurven bekannt, kann man ableiten, wie groß der Lautstärke Unterschied verschiedener Frequenzen sein muss, damit wir diese als gleich laut empfinden. Um diese Wahrnehmung nachzuahmen, arbeiten wir in der Audiowelt schon seit 2012 mit LUFS.
Was ist LUFS?
LUFS steht für Loudness Units Relative to Full Scale. Es ist eine eigene Art der Lautheitsmessung für Musik und andere Audiosignale, die besser auf das tatsächliche Hören ausgerichtet ist, als frühere Methoden wie Peak und RMS. Eine Loudness Unit (LU) entspricht ungefähr 1 dB. Full Scale (FS) bezieht sich auf 0 dBFS (Decibels Full Scale), den höchsten Punkt der Pegelaussteuerung in einem digitalen Audiosystem, ohne dass es zu Verzerrungen kommt. Ein weiterer Begriff, LKFS (Loudness, K-weighted, Relative to Full Scale), ist funktional identisch mit LUFS.
Hier findet sich auch der erste Hinweis, wie sich die Messung vom klassischen RMS / Peak unterscheidet. Dem Eingangssignal wird ein Filter “K-Weighting” hinzugefügt. Im Kern bedeutet das einen +4 dB High Shelve für Frequenzen über 2 kHz und einen Low Cut für Frequenzen unter 100 Hz mit einer Flankensteilheit von 12 dB pro Oktave.
LUFS wird auf drei verschiedene Arten gemessen:
1. Momentane Lautheit (mLUFS): Misst die Lautstärke über eine kurze Zeitperiode, typischerweise 400 Millisekunden mit einer zusätzlichen Überlappung von 75% zum vorherigen Messfenster.
2. Kurzfristige Lautheit (sLUFS): Durchschnittliche Lautstärke über einen Zeitraum von drei Sekunden, basierend auf der momentanen Lautheitsmessung.
3. Integrierte Lautheit (iLUFS): Durchschnittliche Lautstärke über die gesamte Dauer der Messung, wobei in der Regel Abschnitte ignoriert werden, die unter einem bestimmten Schwellenwert liegen. Hierzu liegen die Gates bei -70 LUFS und das zweite Floating Gate -10 LU unter dem laufend ermittelten LUFS Wert.
Warum Streamingdienste iLUFS verwenden
Alle großen Streaming-Dienste, einschließlich Spotify, TIDAL, Apple Music und Amazon Music, sowie Radio, Fernsehen und Filme, haben auf die Verwendung von iLUFS umgestellt. Zusammen mit der Lautstärke Normalisierung beseitigt diese Änderung die Notwendigkeit, dass Hörer ihre Lautstärkeregelung von Song zu Song anpassen müssen. Jetzt, da alle Songs auf ein spezifisches iLUFS-Ziel eingestellt sind, ist die Notwendigkeit, die Lautstärke beim Mastering radikal zu erhöhen, beseitigt, was zu besser klingender Musik führt. So zumindest die Theorie. Wir kommen gleich nochmal zu diesem Punkt zurück.
Frequenzen und die Auswirkung auf LUFS
Unterschiedliche Frequenzen haben einen unterschiedlichen Einfluss auf die Lautheit und die gemessenen LUFS. Denken wir zurück an die Fletcher Munson Kurven, so sind es die Frequenzbereiche zwischen 200 und 900 Hz, sowie 2 bis 6 kHz, die unsere Ohren besonders sensibel wahrnehmen. Durch das K-Filtering können wir definitiv sagen, dass Frequenzen unter 100 Hz wenig Einfluss auf die Lautheit haben, da sie für die Bewertung herausgefiltert werden. Hier am Beispiel eines Pink Noise bei -9 LUFS dargestellt, gefiltert mit 30 Hz, 500 Hz und 3 kHz bei gleicher Güte und einer Addition von +6 dB.
Zwischen 200 und 900 Hz sehen wir schon eine leichte Erhöhung im gemessenen LUFS im Vergleich zu einer Addition in den tieferen Frequenzen.
Frequenzen über 2 kHz werden am schnellsten als Präsenz bestimmend wahrgenommen, fallen aber gleichzeitig auch am größten in die LUFS Bewertung.
Da DSPs nicht momentan, sondern integriert bewerten, müssen wir besonders auf die Lautheit einzelner Song Parts schauen.
Dynamik über Zeit
Wir wissen, dass die Dynamik eines Songs den Unterschied zwischen seinen leisesten und lautesten Momenten darstellt. Im Kontext von LUFS wird mit der Loudness Range (LRA)-Skala das Verhältnis zwischen den lautesten und leisesten Punkten mithilfe von Loudness Units (LU) berechnet.
Um auf eine bestimmte Lautheit zu kommen müssen wir zwangsläufig Kompressoren und Limiter verwenden. Wir können aber hier schon Entscheidungen zu unserer Lautheit Gestaltung treffen. Wollen wir, das unser Chorus besonders stark hervor sticht, müssen wie die anderen Parts im Umkehrschluss zurücknehmen, um auf die gleichen iLUFS zu kommen, verglichen mit einem gleichmäßig komprimierten Song. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass unsere Strophen dann vergleichsweise leiser wahrgenommen werden. So auch der Umkehrschluss zu einem stark komprimierten Titel. Hier wirkt der gesamte Titel in seiner Grundlautheit lauter, hat aber nicht mehr die Möglichkeit sich zu steigern. Was also tun?
Die magischen -14 iLUFS
Wir kommen nochmal kurz auf die besonders durch Spotify in den Köpfen präsenten -14 iLUFS zurück. Spotify bietet all seinen Premium Nutzern zusätzlich die Auswahl zwischen 3 Pegeln an: Loud (-11 iLUFS), Normal (-14 iLUFS) und Quiet (-19 iLUFS). Und das sind mit rund 236 Mio von insgesamt 602 Mio schon mehr als ein Drittel der Spotify Nutzer. Hinzu kommt, dass Spotify einen Titel der unter -11 iLUFS liegt zum Erreichen des Wertes selbst nochmal mit einem Limiter behandelt. Also kann -14 iLUFS schon mal nicht der richtige Ansatz sein, wenn Daniel Ek deinen Limiter bedient.
Aus meiner Erfahrung hat sich seit der Einführung der Lautstärke Normalisierung nicht viel am Loudness War, also dem Streben nach immer lauteren Titeln, zum Übertönen der Konkurrenz, getan. Es wollen trotzdem alle laute Titel haben, weil es sich nach wie vor besser anfühlt einen satt komprimierten Track zu hören. Sicher, wir brauchen keine -3 iLUFS aber -9 bis -12 iLUFS bleiben die vom Nutzer gewählte Norm und das durch viele Genre hinweg.
Fazit
Es gibt wie so oft keine allgemeine Lösung, aber ein paar Ansätze, die man für jeden Mix und das Mastern im Hinterkopf haben kann.
Finde deinen iLUFS Wert in dem Genre in dem du dich bewegst. -9 iLUFS für lautere und -12 iLUFS für sanftere Titel sind ein guter Startwert. Kurze Spitzen sind nicht so relevant wie ein dauerhafter Pegel. Frequenzen zwischen 200 und 900 Hz haben die beste “Pegel zu Präsenz” Ratio bei einer vergleichsweise geringen Auswirkung auf den LUFS Wert. Frequenzen zwischen 2 und 6 kHz haben die größte Wirkung auf die empfundene Lautheit, aber auch den größten Einfluss auf die resultierenden LUFS. Die Dynamik zwischen den einzelnen Parts eines Tracks ist maßgeblich dafür verantwortlich, wie laut er am Ende bewertet wird. Wenn du eine hohen LRA Wert erreichst, kann beispielsweise dein Chorus deutlich lauter wirken als ein vergleichsweise höher komprimierter Titel mit niedrigerem LRA, bei gleichem iLUFS.
Die Nuancen in der Optimierung von iLUFS zu Lautheit hängen maßgeblich vom Audiomaterial ab. Hast du einen vergleichsweise zurückhaltenden Titel mit viel Bass und nur vereinzelten Pads oder Elementen, die die mittleren Frequenzen nur kurzzeitig ausfüllen, wirst du deutlich mehr Lautheit in den "heißen" Parts erzielen können, als ein klassischer Rock Mix, der konstant die Mitten und Höhen dominiert. Aber wollen wir wirklich Äpfel mit Birnen vergleichen? Am Ende sollte es nur um deine Musik gehen. Um den einen Titel oder das eine Album. Und um den Genuss des Moments deiner Musik.
- Johannes